Sarah Hegazi (1989-13.06.2020) wurde in Ägypten in eine konservative Familie geboren. Sie wurde früh zur Halbwaise und musste ihre Mutter bei der Erziehung ihrer Geschwister unterstützen. Dennoch gelang es der bildungsbegeisterten Jugendlichen Informatik zu studieren. Über Fernkurse vertiefte sie ihre Kenntnisse zu vielen Themen noch unermüdlich weiter. Wie so viele Andere politisierte sie sich über die Revolution 2011 und beteiligte sich aktiv an den Kämpfen und der aufkeimenden Massenbewegung. Schon bald wurde sie enttäuscht. Ein Militärputsch übernahm die Revolution, etablierte eine neue Regierung, unter der sich nichts änderte, weder am Patriarchat, noch an der Ausbeutung der unteren Klasse. Sarah, die zur Kommunistin wurde, betrachtete die gescheiterte Revolution dennoch als ihr Schlüsselerlebnis. Sie resignierte nicht, sondern radikalisierte sich, wurde Mitbegründerin der Kleinpartei »Brot&Freiheit« und versuchte mit ihren Genoss*innen antikapitalistische und feministische Kämpfe voranzutreiben.
2017, ein Jahr nach ihrem eigenen Coming-out besuchte sie ein Konzert der linken libanesischen LGBTIQ-Band Mashrou‘ Leila. Während diesem Konzert kletterte Sarah auf die Schultern einer anderen Person und schwenkte öffentlich eine Regenbogenfahne. Dieses Zeichen gegen Homophobie konnte der ägyptische Repressionsapparat nicht ertragen: Sie wurde bei einer Razzia festgenommen. Es folgen Monate schwersten körperlichen und seelischen Missbrauchs in U-Haft.
Bald nach ihrer Entlassung floh sie aus dem Staat, der ihr das angetan hatte. Sie kam nach Kanada, wo sie in dem »Socialist Spring Network« für ihre Ziele aktiv weiterkämpft. Dabei war Sarah stets von Depressionen, Panikattacken und posttraumatischem Stress geplagt, die eine Folgeihres Leidens im Gefängnis waren. Zweieinhalb Jahre engagierte sie sich in vielfältiger Weise, organisierte Demonstrationen, schrieb viele Texte und setzte sich dafür ein, Klassenkämpfe und Queerfeminismus in der Praxis zusammenzubringen. Letztlich lies sie das in der Haft Erlebte nicht mehr los und sie nahm sich am 14. Juni 2020 in Toronto das Leben.